Die Zukunft der deutschen Startup-Szene – Wie sich Inflation und Krieg auf junge Unternehmen auswirken

Startup Szene In Krisenzeiten 1

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Die turbulenten letzten Monate und Jahre haben ihre Spuren hinterlassen. Nicht nur in der Gesellschaft, die teils sowohl monetär stark unter steigenden Preisen für Lebensmittel und Energiekosten als auch mental unter Katastrophen und Kriegen leidet. Auch auf junge Unternehmen haben sich die Krisenzeiten ausgewirkt.

Bis Oktober 2023 mussten über 230 Startups Insolvenz anmelden – das sind über 230 Gründerinnen und Gründer mit wertvollen Ideen und großen Visionen, die der Krise leider nicht standhalten konnten. So viele junge Unternehmen sind im gesamten Jahr 2022 nicht insolvent gegangen. Experten befürchten, dass der Höhepunkt dieser Entwicklung aktuell noch nicht erreicht ist.

Die Startups selbst bewerten das Ökosystem in Deutschland 2023 schlechter als in den Jahren zuvor. Inflation, Krieg und die Wirtschaftsflaute scheinen sich also auch auf junge Unternehmen stark auszuwirken.

Die größte Herausforderung für Startups: Kapitalbeschaffung

Der Deutsche Startup Monitor 2023 bestätigt das getrübte Bild innerhalb der Startup-Szene. Für schlechte Stimmung sorgt insbesondere die Kapitalbeschaffung junger Unternehmen. So schätzen nur knapp über 15 Prozent der befragten Gründerinnen und Gründer die Investmentbereitschaft von Business Angels und Venture Capitalists als positiv. Über 45 Prozent sagen klar, dass sie als schlecht einzuordnen ist, und 20,6 Prozent gehen sogar davon aus, dass die Bereitschaft noch weiter sinken wird.

Diese Einschätzung der Startups geht einher mit der tatsächlichen Investment-Entwicklung. So wurden im Jahr 2023 insgesamt nur 6 Milliarden Euro in junge Unternehmen investiert – das entspricht einem Rückgang von fast 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Als eine der größten Herausforderungen für Startups ist daher die Kapitalbeschaffung zu sehen, welche im vergangenen Jahr eine noch größere Hürde als noch 2022 zu sein schien. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um ein rein deutsches, sondern ein internationales Problem innerhalb der Startup-Szene. Andere Top-Herausforderungen sind für junge Unternehmen aktuell Kundengewinnung, Produktentwicklung, Liquidität und Personalrekrutierung.

Auch Oliver Weimann, Co-Founder des Venture Builders Scale Now und CEO der Quantum Cybersecurity Group (QCG), beobachtet aus der Investoren-Perspektive, dass sich das Investmentverhalten in den letzten Jahren verändert hat und dieser Trend noch immer besteht. “In der Frühphasenfinanzierung kommen zum Beispiel Business Angel langsamer zu erfolgreichen Exits über Secondaries & Co und investieren dementsprechend auch wieder verzögert in neue Teams und Ideen”, beschreibt Oliver die Beweggründe der Investoren in Early-Stage Startups in einem Interview mit dem Business Punk. “Und auch im VC-Umfeld nehme ich wahr, dass die Geschwindigkeit einfach abnimmt.” Es ist zu erwarten, dass die Investoren noch einige Zeit zögerlich bleiben werden. Das liegt daran, dass sie aufgrund fehlender Börsengänge und zurückhaltender Geldgeber sowohl die erforderliche Liquidität als auch das Vertrauen in riskante Investitionen aufgrund der schwachen Wirtschaftslage vermissen. Für Gründerinnen und Gründer verliert wohl auch deshalb das Venture Capital an Anziehungskraft, wie der Deutsche Startup Monitor 2023 ermittelte.

Trotzdem hat die Mehrheit der Gründerinnen und Gründer Hoffnung und geht von einer positiven Entwicklung ihres Geschäfts aus. Doch die Zahlen spiegeln definitiv wider, wie groß die Herausforderung für junge Unternehmen in Bezug auf Investments ist.

Die Gewinner der Krise

Gleichzeitig gibt es einige Branchen, die nicht so stark von den aktuellen Krisenzeiten betroffen sind, oder gar davon profitieren: Cybersecurity, DefenseTech oder GreenTech.

Startups dieser Branchen lösen Probleme, die auch in Krisenzeiten nicht zu vernachlässigen sind, oder teilweise sogar dadurch verstärkt werden. “Wirtschaftlich oder politisch motivierte Cyber-Angriffe haben mit einem Faktor von über zehn zugenommen”, so Oliver Weimann im Hinblick auf die Cybersecurity Branche. Deutschland ist dabei insbesondere durch die Unterstützung der Ukraine Ziel politischer Hacker-Angriffe vonseiten Russlands.

Als größte Risiken im Cyberspace werden aktuell Phishing-Kampagnen, Ransomware und DDoS-Attacken (Distributed Denial of Service) angesehen. “Beispiele wie Sandstorm von russischen Hackerinnen und Hackern auf das ukrainische Stromnetz zeigen auch in DACH, wie sehr unsere kritischen Infrastrukturen gefährdet sind”, schätzt der CEO der Quantum Cybersecurity Group (QCG) die aktuelle Lage ein. Insbesondere die Bereiche kritische Infrastruktur, Industrie und Regierungsapparate sind momentan besonders gefährdet.

Die Cybersecurity Branche büßt also in Zeiten der Krise nicht ein, sondern wird im Gegenteil sogar noch viel wichtiger. Innovationen sind in diesem Sektor aktuell so wichtig wie nie zuvor, weshalb junge Unternehmen dieser Branche kaum eine negative Auswirkung der Krise zu spüren bekommen. Aufgrund dieser hohen Relevanz von Cybersecurity investiert auch der Venture Builder Scale Now unter anderem gezielt in Startups aus dieser Branche.

Und so geht es auch anderen Branchen, wie beispielsweise dem Sektor GreenTech. “Wenn die Energiesicherheit des Landes in Frage gestellt wird, dann helfen Lösungen, die entweder Energie erzeugen oder Energie einsparen – egal ob von Startups oder etablierten Unternehmen”, beschreibt Oliver Weimann die Lage. Für die vielen jungen Unternehmen, die zu diesem Bereich zählen, bedeutet das auch, dass sie von der Krise weniger stark betroffen sind. Das sind gute Nachrichten für zahlreiche Unternehmen, denn der deutsche GreenTech-Markt steigt jährlich um über 8 Prozent und ist damit sogar stärker als der internationale Markt.

Ein positiver Blick in die Zukunft der Startup-Szene

Trotz der mehr oder weniger starken Auswirkungen aktueller Krisen auf die Startup-Szene, steht es in Zukunft nicht zwingend schlecht für das Ökosystem. Gründerinnen und Gründer lassen sich von der aktuellen Situation nicht aufhalten. Nachdem im Jahr 2022 deutlich weniger Startups gegründet worden waren, sind in den ersten beiden Quartalen von 2023 wieder mehr junge Unternehmen entstanden.

Eine ähnliche Sichtweise hat auch Oliver Weimann: “Ich erwarte eine Delle mit weniger Gründungen und partiellem Verschwinden der Mentalität ‘Startup as a Lifestyle’, sehe aber grundsätzlich eine signifikant gefestigtere Szene als beispielsweise nach den Zeiten des ‘Neuen Marktes’ Anfang der 2000er Jahre.” Auch er ist also der Meinung, dass es nun nicht vorbei ist mit der positiven Entwicklung des Startup-Ökosystems. “Es gibt einfach spannende Themen, deren Zeit gekommen ist”, so Oliver Weimann. In Bezug auf die Branche Cybersecurity bezeichnet er die aktuelle Zeit als „Tipping Point of Technology“ aufgrund der bevorstehenden Einführung von Quantencomputern. Auch ist er sich sicher, dass der Sektor GreenTech auf einer globalen Ebene rasant wachsen wird. Und das sind nur zwei der Trends, die 2024 die Startup-Szene prägen werden – mehr dazu gibt es hier.

Klar ist: Die aktuellen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen machen auch vor der deutschen Startup-Szene keinen Halt und viele gute Ideen wurden dadurch in die Knie gezwungen. Trotzdem würden 9 von 10 Gründern wieder gründen. Davon 83 Prozent sogar wieder in Deutschland, was die Qualität der nationalen Startup-Szene unterstreicht.

Fazit

Inmitten der Turbulenzen und Herausforderungen der letzten Jahre haben junge Unternehmen in Deutschland eine bewegte Zeit durchlebt. Die Auswirkungen der Krisenzeiten auf die Startup-Szene sind spürbar. Kapitalbeschaffung hat sich als eine der größten Herausforderungen für Startups erwiesen, da Investitionsbereitschaft und -geschwindigkeit sinken. Dennoch gibt es Gewinner in der Krise, einige Branchen wie Cybersecurity, DefenseTech und GreenTech scheinen weniger betroffen zu sein oder sogar zu profitieren.

Trotz der gegenwärtigen Herausforderungen bleibt die Zukunft der Gründerszene vielversprechend, da spannende Chancen und Entwicklungen das Wachstum und die Innovation in den kommenden Jahren vorantreiben werden.